Generalstreik in Indien legt weite Teile des Landes lahm
Ein seltener Schulterschluss der größten indischen Gewerkschaften hat zu einem der umfangreichsten Arbeitskämpfe der vergangenen Jahre geführt. Am 9. Juli beteiligten sich landesweit Millionen Beschäftigte an einem ganztägigen Generalstreik (Bharat Bandh), um gegen arbeitsmarktpolitische Reformen und Privatisierungspläne der Regierung von Premierminister Narendra Modi zu protestieren. In allen Landesteilen blieben Banken geschlossen, der öffentliche Nahverkehr wurde ausgesetzt, und auch im Bergbau, der Energieversorgung, der Bauwirtschaft und bei Postdiensten kam es zu erheblichen Unterbrechungen. Zahlreiche Behörden und Schulen blieben vorsorglich ebenfalls dicht. Der Streik, organisiert von einem Bündnis aus 10 zentralen Gewerkschaftsverbänden, warf ein Schlaglicht auf die wachsende Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten mit der Wirtschaftspolitik der Regierung.
Auslöser und Reaktionen
Hintergrund des Protests sind mehrere von der Modi-Regierung vorangetriebene Arbeitsgesetze, welche die Rechte von Arbeitnehmern einschränken und laut Kritikern die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften schwächen sollen. Zugleich wendet sich der Unmut gegen die fortschreitende Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und Unternehmen. Gewerkschaftsvertreter werfen der Regierung vor, staatliche Betriebe an Großinvestoren zu verkaufen und die Interessen der Arbeiter zu missachten. Seit Jahren verfolge Modi eine Politik, die „Großunternehmen begünstigt, während Beschäftigte und der öffentliche Sektor auf der Strecke bleiben“, lautet der Tenor der Protestführer. Konkret kritisieren sie etwa die Aufweichung von Kündigungsschutz und Arbeitszeitregeln sowie den Verkauf staatlicher Banken und Versorger an private Konzerne.
Aus Regierungskreisen in Neu-Delhi hieß es unterdessen beschwichtigend, man wolle den Dialog mit den Gewerkschaften suchen. Die Behörden betonten, wichtige Dienste würden trotz des Ausstands aufrechterhalten. Tatsächlich kam es in einigen Sektoren zu Notfallplänen – so halfen Armeeangehörige bei der Aufrechterhaltung des Bahnverkehrs, und in Krankenhäusern sprangen freiwillige Helfer ein, um die Versorgung sicherzustellen. Dennoch waren die Auswirkungen überall spürbar: Der Bankenverband meldete einen ganzen Tag lang eingeschränkten Zahlungsverkehr, an vielen Geldautomaten wurde das Bargeld knapp.
Im Frachtverkehr blieben hunderte Lastwagen stehen, Büros und Geschäfte schlossen frühzeitig aus Sorge vor Zwischenfällen. Größere Unruhen oder Gewalt blieben jedoch aus; die Proteste verliefen Berichten zufolge überwiegend friedlich, wenn auch lautstark. Viele Bürger äußerten Verständnis: „Die Preise steigen, aber unsere Löhne nicht. Wir unterstützen den Streik, damit unsere Stimme gehört wird“, sagte ein Angestellter in Mumbai stellvertretend für viele.
Ausblick
Der Generalstreik verdeutlicht die verbreitete Frustration der indischen Mittelschicht und Arbeiter über die Wirtschaftspolitik der Regierung. Premierminister Modi, der zuletzt international für Indiens Wachstumsraten gelobt wurde, sieht sich im eigenen Land wachsendem Unmut ausgesetzt. Ob die Regierung auf die Forderungen der Gewerkschaften eingeht, bleibt abzuwarten. Analysten mahnen, ein längerer Stillstand könne die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie bremsen. Weitere Protestaktionen sind bereits angekündigt. Indiens Regierung steht damit vor der Herausforderung, einen Ausgleich zwischen Reformdruck und sozialem Frieden zu finden, um das Vertrauen der Bürger nicht zu verlieren.