Air-India-Tragödie: Untersuchungsbericht zu Absturz mit 279 Toten wirft mehr Fragen auf als er beantwortet
Am 12. Juni ereignete sich eine der schwersten Luftfahrtkatastrophen in der jüngeren Geschichte Indiens, als der Air-India-Flug AI-171, eine Boeing 787 Dreamliner, auf dem Weg von Ahmedabad nach London kurz nach dem Start abstürzte. Die Maschine zerschellte in einem dicht besiedelten Gebiet, wobei 260 Menschen an Bord und 19 Personen am Boden ums Leben kamen. Der nun veröffentlichte vorläufige Bericht der indischen Flugunfallunterschungsbehörde (AAIB) rückt ein kritisches Ereignis im Cockpit in den Fokus, lässt die Öffentlichkeit und Experten jedoch mit entscheidenden Fragen allein.
Dramatische letzte Sekunden im Cockpit
Das zentrale Ergebnis des Berichts ist, dass nur drei Sekunden nach dem Abheben die Treibstoffsteuerschalter (Fuel Control Switches) beider Triebwerke fast gleichzeitig von der Position „RUN“ auf „CUTOFF“ gestellt wurden. Dieser Vorgang unterbrach die Treibstoffzufuhr und führte zu einem sofortigen und katastrophalen Schubverlust, den die Piloten in der geringen Höhe nicht mehr kompensieren konnten.
Die Aufzeichnungen des Cockpit Voice Recorders (CVR) enthüllten einen ebenso dramatischen wie rätselhaften Dialog. Während der offizielle Bericht der indischen Behörden offenließ, welcher Pilot welche Aussage machte, haben spätere Berichte unter Berufung auf mit der US-amerikanischen Auswertung der Beweise vertraute Quellen für mehr Klarheit gesorgt.
Demnach fragte der Copilot, der das Flugzeug zu diesem Zeitpunkt steuerte, den Kapitän Sumeet Sabharwal: „Why did you cut off?“ (Warum hast du abgeschaltet?). Der Copilot soll schockiert und panisch reagiert haben, während der Kapitän ruhig blieb. Die ursprüngliche Antwort im Dialog lautete: „I did not“ (Das habe ich nicht getan).
Die unklare Faktenlage hat zu einer intensiven Debatte unter Luftfahrtexperten geführt, die sich um zwei Haupttheorien dreht. Einerseits wird ein menschliches Versagen oder gar eine absichtliche Handlung diskutiert, da die Schalter durch Schutzvorrichtungen gesichert sind, um ein versehentliches Betätigen zu verhindern. Einige Analysten haben sogar die Möglichkeit eines Pilotensuizids in den Raum gestellt. Die Berichte, die sich auf US-Quellen berufen, stützen die Theorie, dass der Kapitän die Schalter absichtlich betätigt hat.
Andererseits wird ein technisches Versagen nicht ausgeschlossen. Der AAIB-Bericht verweist auf ein Sicherheitsbulletin der US-Luftfahrtbehörde FAA aus dem Jahr 2018, das vor potenziellen Problemen mit dem Verriegelungsmechanismus der Treibstoffschalter bei bestimmten Boeing-Modellen warnte. Der Bericht stellt fest, dass Air India die in dem Bulletin empfohlenen, aber nicht zwingend vorgeschriebenen, Inspektionen nicht durchgeführt hatte.
Fazit: Ein kryptischer Bericht erschüttert das Vertrauen
Der vorläufige Bericht der AAIB hat eine Welle der Kritik ausgelöst. Experten wie Sanjay Lazar bemängeln, dass er „mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet“ und kryptisch formuliert sei. Die Veröffentlichungspolitik der Behörde hat das Vertrauen in den Untersuchungsprozess zusätzlich untergraben. Die Tatsache, dass Details zuerst an US-Medien durchsickerten, sorgte für erhebliche Irritationen.
Zudem wurde die Entscheidung kritisiert, nur einen kurzen, aus dem Kontext gerissenen Satz aus den Cockpit-Aufzeichnungen zu veröffentlichen. Dies hat ein Informationsvakuum geschaffen, das schnell von Spekulationen gefüllt wurde. Die indische Pilotenvereinigung hat formell Einspruch gegen die ihrer Meinung nach voreingenommene Darstellung erhoben, die zu sehr in Richtung Pilotenfehler deute.
Unabhängig von den Ergebnissen des Abschlussberichts wird dieser nach dem unklaren Auftakt auf erhebliche Skepsis stoßen. Als Reaktion auf die Tragödie hat die Tata-Gruppe, der Mutterkonzern von Air India, die Gründung eines wohltätigen Trusts in Höhe von 500 Crore Rupien (ca. 55 Millionen Euro) zur Unterstützung der Opferfamilien bekannt gegeben.
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