Myanmar: Junta reagiert auf UN-Bericht und entlässt angeblich Kindersoldaten
Die Militärregierung in Myanmar hat erstmals die Rekrutierung von Kindern in ihren Reihen eingeräumt – zumindest indirekt. Wie das Regime am 4. Juli über sein Sprachrohr, die Zeitung Global New Light of Myanmar, bekannt gab, seien bereits im Vorjahr 93 minderjährige Soldaten aus dem Militärdienst entlassen worden. Diese Jugendlichen habe man im Zuge eines Überprüfungsprozesses als unterage identifiziert und anschließend „mit finanzieller Unterstützung versehen“ in das Zivilleben entlassen, hieß es weiter.
Die Veröffentlichung erfolgte offenkundig als Reaktion auf einen vernichtenden UN-Bericht, der Myanmar kürzlich auf die Liste der schlimmsten Verletzer von Kinderrechten in bewaffneten Konflikten gesetzt hatte. Laut dem Bericht des UN-Generalsekretärs rekrutierten Myanmars Armee und mit ihr verbündete Milizen allein im vergangenen Jahr 482 Kinder und Jugendliche – davon über 370 Minderjährige direkt in Kampfhandlungen. Auch bewaffnete Widerstandsgruppen im Land haben demnach minderjährige Kämpfer rekrutiert, jedoch in deutlich geringerem Ausmaß.
Bürgerkrieg und Kindersoldaten
Myanmar befindet sich seit dem Militärputsch vom Februar 2021 in einem Bürgerkrieg, der insbesondere in den ländlichen Gebieten wütet. Etablierte ethnische Rebellenarmeen und neu entstandene Widerstandseinheiten kontrollieren weite Teile der Peripherie, während die Junta vor allem in den Städten und zentralen Ebenen herrscht. In diesem verzweifelten Kampf greift das Militär offenbar verstärkt auf Jugendliche zurück, um seine erschöpften Reihen zu füllen. Bereits 2024 hatte die Junta einen Wehrpflicht-Gesetz aktiviert, um angesichts hoher Verluste neue Rekruten zwangsweise einziehen zu können. Menschenrechtsorganisationen berichten, dass auch Kinder ab 13 Jahren an der Front eingesetzt wurden. Laut UNICEF waren im vergangenen Jahr fast 3,5 Millionen Menschen in Myanmar auf der Flucht, ein Drittel davon Kinder – ein erschreckender Indikator für die Verwundbarkeit der Jüngsten.
Die Junta weist internationale Kritik jedoch zurück. Sie betonte in ihrer Verlautbarung, es seien nur noch „18 Verdachtsfälle“ von möglicherweise minderjährigen Soldaten in Prüfung. Man halte sich an einen Aktionsplan zur Verhinderung von Kindersoldaten, der bereits vor dem Putsch mit den UN vereinbart worden war. Unabhängige Beobachter zweifeln diese Darstellung an: Die Militärführung habe keine transparente Überwachungsstruktur mehr, seit viele humanitäre Organisationen das Land verlassen mussten. Ein Sprecher der Untergrundregierung Government of National Unity (NUG) nannte die Junta-Erklärung „reine Propaganda“. Er verwies darauf, dass vor allem in den umkämpften Gebieten wie Rakhine, wo 2022 Hunderte Rohingya-Kinder zwangsrekrutiert worden sein sollen, kaum Kontrolle von außen bestehe. Die UN hatte in ihrem Bericht auch etliche Fälle von Gewalt gegen Kinder dokumentiert, etwa Tötungen und Schulen, die vom Militär als Lager genutzt werden – all das trug zur internationalen Ächtung der Junta bei.
Ausblick:
Die angekündigte Entlassung von 93 Kindersoldaten ändert wenig an der dramatischen Gesamtlage. UNICEF und Menschenrechtsorganisationen fordern die umgehende Freilassung aller Kindersoldaten in Myanmar und Zugang für internationale Beobachter, um die Einhaltung zu überprüfen. Die Junta hingegen bemüht sich, mit symbolischen Schritten dem internationalen Druck etwas entgegenzusetzen – ohne aber ihren militärischen Kurs grundsätzlich zu ändern.
Solange der Konflikt andauert, dürfte der Missbrauch von Kindern als Soldaten oder Helfer weitergehen, warnen Experten. Myanmar bleibt damit ein Brennpunkt humanitärer Krise, in dem eine ganze Generation traumatisiert aufzuwachsen droht. Die Weltgemeinschaft steht vor dem Dilemma, wie sie auf die anhaltenden Gräueltaten reagieren soll. Sanktionen und Appelle haben das Regime bislang kaum beeindruckt. Friedensvermittler fordern nun verstärkte regionale Diplomatie – insbesondere ASEAN müsse mehr Druck auf die Junta ausüben, um zumindest den Schutz der Kinder zu gewährleisten. Konkrete Fortschritte sind jedoch nicht in Sicht, während Myanmars Krieg unvermindert weitergeht.